URLAUB à la RÜGEN Oktober - November 2022

Anzeigenspezial Ostseebad Binz & die Granitz | 35 sich über 8 Jahrzehnte abwechslungsreicher Bau- und Nutzungsgeschichte, zwei politische Systeme haben hier ihre Spuren hinterlassen. Doch fangen wir am Anfang an: In der NS-Zeit soll Prora ein großes Seebad für 20.000 Urlauber werden. Damals heißt die Anlage noch „Kraft-durch-Freude-Seebad Rügen“, der Name „Prora“ hat sich erst später etabliert, als aus den unfertigen KdF-Bauten einer der größten Militärstandorte der DDR wird. Der Entwurf für das Seebad stammt vor- nehmlich vom Architekten Clemens Klotz. Acht Betten- häuser – die heutigen Blöcke – sind in erster Reihe am Strand vorgesehen, dazwischen ein zentraler Festplatz mit Kaianlage. Der 5 km lange Komplex soll dem deutschen Arbeiter zu günstigen Preisen die „wahre Erholung“ verschaffen und ihn „nervenstark“ für den kommenden Krieg machen. Der Startschuss fällt am 02. Mai 1936 mit der Grundstein- legung, der Grundstein ist allerdings bis heute verschollen. Nach den Feierlichkeiten wird die Baustelle eingerichtet, auch die Bahnstrecke Lietzow-Binz mit Haltestellen in Prora stammt aus dieser Zeit. Ab 1938 nehmen die Bauten dann nach und nach Gestalt an, das Seebad wird zu einer der Großbaustellen im Dritten Reich. Die Propaganda läuft auf Hochtouren. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges tritt auch auf Rügen zügig der Baustopp ein. Mensch und Material werden für den Krieg gebraucht, die Rohbauten sollen nach dem versprochenen „Endsieg“ fertiggestellt werden. Zum Teil schon fertige Angestelltensiedlungen werden zu Ausbildungsquartieren, das Areal für „kriegswichtige Zwecke“ genutzt. Doch der Kriegsverlauf ändert auch die Pläne für Prora. Mit Kriegsende gehört Rügen zur Sowjetischen Besatzungs- zone, die Rohbauten werden zu begehrten Baustoffquellen, auch für die Bevölkerung. Der ursprünglich südlichste Block, in direkter Nachbarschaft zu Binz, verschwindet in dieser Zeit vollständig. Durch den beginnenden Kalten Krieg und der Wieder- aufrüstung in Ost und West wird Prora schließlich als Militär- standort interessant. Ab 1952 beginnt der Ausbau, fünf Roh- bauten werden fertiggestellt, einer davon, der heutige Block 1 (die Zählung verläuft von Süd nach Nord) wird Ferien- heim für Armeeangehörige. Die letzten beiden nördlichen Gebäude bleiben unvollendet und sind später Truppen- übungsplatz. Der Strand sowie das Areal der heutigen Naturerbefläche werden militärisches Sperrgebiet. Mit Gründung der NVA ist Prora ab 1956 Standort für Land- streitkräfte. Über 10.000 Soldaten sind hier zu Spitzenzeiten stationiert. Es kommt zu mehrfachen Umstrukturierungen, Einheiten kommen und gehen. Eine erste Lehreinrichtung für Unteroffiziere etabliert sich in den 1960er Jahren, 1981 folgt die DDR-weit erste Offiziershochschule für ausländi- sche Kader. Militärangehörige aus Mosambik, Nicaragua, Kuba und anderen Staaten werden hier ausgebildet. Im nördlichen Block 5 sind bis in die frühen 1980er Fall- schirmjäger stationiert, mit den Ruinen nebenan als Übungsgelände. Mit Einführung der allgemeinen Wehr- pflicht sind seit 1962 auch Wehrdienstleistende in Prora. Der Standort ist unter ihnen für seinen Drill verschrien, das Motto „Drei Worte genügen – nie wieder Rügen“ wird zum geflügelten Wort. Ab 1964 kommen die sogenann- ten Bausoldaten hinzu. Sie müssen auf dem Gelände u.a. Truppenübungsplätze anlegen und andere Bautätigkeiten ausführen. Im Rahmen der Wehrpflicht ist der waffenlose Bausoldatendienst die einzige Alternative. Einen zivilen Ersatzdienst gibt es trotz mehrfacher Einforderung bis zum Mauerfall nicht, Totalverweigerung wird mit Gefängnis bestraft. Wer sich aus Glaubens- und Gewissensgründen für den Bausoldatendienst entscheidet, muss allerlei Nach- teile in Kauf nehmen, da Waffendienstverweigerer als Staatsfeinde in Uniform betrachtet werden. Viele von ihnen schließen sich später der Oppositionsbewegung an. 1982 wird Prora zum größten Bausoldatenstandort in der DDR. Nach dem Abzug der Fallschirmjäger ziehen mehrere hundert Bausoldaten in den Block 5. Sie müssen beim Bau des Fährhafens in Mukran mitarbeiten, um eine direkte Seeverbindung zwischen der DDR und der Sowjet- union zu schaffen. Mit dem Mauerfall 1989 werden die letzten Bausoldaten doch noch im zivilen Bereich ein- gesetzt, nach der Wiedervereinigung gibt es keinen Bau- soldatendienst mehr. Das steinerne Meer zwischen Prora & Neu Mukran Die rund 40 Hektar großen Feuersteinfelder Rügens , die auch als „steinernes Meer“ bezeichnet werden, befinden sich im nördlichen Teil der „Schmalen Heide“ bei Neu Mukran und zählen neben den Kreidefelsen zu den bemerkenswertesten Naturphänomenen der Insel und sind vermutlich durch eine Reihe von Sturmfluten vor 3.000 bis 4.000 Jahren entstanden. Auf einer Fläche, die ungefähr 2,5 km lang und 300 m breit ist, reihen sich die großen, offen liegenden Feuersteinfelder an- einander. Sie bestehen zu 90 Prozent aus Feuersteinen. Etwa einen Meter hoch sind diese Aufschüttungen und teilweise mit kleineren Bäumen, Sträuchern und Heidekraut überwachsen. Die bizarre Landschaft können Besu- cher während einer geführten Tour erleben und erfahren alles um die Ent- stehung, Geschichte und Entwicklung der Felder. Die Touren beginnen am Parkplatz „Feuersteinfelder“ in Mukran (zwischen Prora und Sassnitz). Bitte festes Schuhwerk mitbringen. Anmeldungen: Naturerbe Zentrum Rügen, Tel. 038393 / 662200. Ihr Restaurant in Prora für Fisch,Fleisch und Vegan. Mit Terrasse und Gastraum, auch für Veranstaltungen. MEERKATZE – Restaurant & Cafe – Öffnungszeiten: So - Fr 12 - 20 Uhr Südstrand 304 • 18609 Ostseebad Binz Tel: 038393 123899 • info@meerkatze-prora.de www.meerkatze-prora.de Etwa 15.000 Bausoldaten hat es insgesamt in der DDR gegeben. Rainer Eppelmann, der nach dem Mauerfall zum Minister für Abrüstung und Verteidigung in der letzten DDR-Regierung wird, ist eben- falls ehemaliger Bausoldat. Die Geschichte hat zuweilen ihren ganz eigenen Humor. 1990 übernimmt die Bundeswehr den Standort, 1992 erfolgt die Auflösung und Übergabe des Areals an das Bundes- vermögensamt. Kurz darauf wird die Anlage unter Denkmalschutz gestellt und bleibt in der Folgezeit überwie- gend ungenutzt. Einige Jahre später folgt der Entschluss, die einzelnen Blöcke zu veräußern. Bis auf den Block 5 mit der Jugendherberge, der zu 1/3 Eigentum des Landkreises ist, gehört die Anlage heute privaten Investoren und ist größtenteils bereits zu moder- nen Wohn- und Ferienanlagen saniert. Ein neues Kapitel in Proras Geschichte ist gerade dabei, geschrieben zu werden.

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